Aktionstag 5. Mai 2022: Tempo machen für Inklusion – barrierefrei zum Ziel!

Unsere Lebenswelt ist längst nicht „designed for all“. Das bedeutet:
Einige Menschen stoßen in ihrem Alltag regelmäßig auf Barrieren,
die sie an einer selbstbestimmten Teilhabe
an Aktivitäten des täglichen Lebens hindern.
Selbstbestimmung und Teilhabe sind Menschenrechte.
Menschen mit Behinderungen werden sie
durch die nicht Einhaltung von Richtlinien für Barrierefreiheit verwehrt.
Auf diesen Miss-Stand hat eine Gruppe engagierter Lichtenberger Akteur*innen
zusammen mit dem bezirklichen Beirat von und für Menschen mit Behinderungen
und der Bezirksbeauftragten, Daniela Kaup,
anlässlich des europäischen Protesttages
für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen
am 5. Mai 2022 mit einer gemeinsamen Aktion
im Lichtenberger Rathaus-Park aufmerksam gemacht.

Warum der Rathaus-Park?

Parks sind wichtige Orte des öffentlichen Lebens
und sollten für alle Menschen gleichermaßen nutzbar sein.
Der Park am Rathaus Lichtenberg wurde erst in den Jahren 2019 und 2020
saniert und fertig gestellt1.
Mit der konsequenten Einhaltung der internationalen Vorgaben für barrierefreies Bauen
hätte der Park ein Ort werden können,
den alle Lichtenberger*innen nutzen und genießen können.
Die Expertise von Selbst- und Interessenvertretungen
zu den Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung
wurde erst spät im Sanierungsprozess mit einbezogen.
Im Ergebnis bleibt der Park leider auch nach der Sanierung:
nicht barrierefrei.

Mit unserer Aktion am 5. Mai haben wir auf die Barrieren im Park aufmerksam gemacht.
Denn die Sensibilisierung für Hindernisse im Alltag und die Beschränkungen,
die damit für einige Menschen einher gehen,
ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg
zu einem inklusiven Gemeinwesen.

Lernen durch Erleben

Unser Konzept: Wir haben mehrere Stationen im Park aufgebaut,
an denen Besucher*innen jeweils eine Einschränkungen über Simulation selbst konnten.
Wie erlebe ich den Park, wenn mein Hören eingeschränkt ist?
Wie orientiere ich mich als blinder Mensch mit dem Blindenlangstock im Park?
Und wie sind meine Bewegungsmöglichkeiten als Rollstuhl-Nutzer*in?
Antworten auf diese Fragen konnten die Besucher*innen des Parks
an diesem Tag live erleben und ausprobieren.

Verschiedene Stände des Aktionstages.

Alle Stationen und Simulationen im Überblick:

  1. Station „Hören“ von unerhört e.V.:
    Mithilfe von Kopfhörern konnte eine Vertäubung des Hörens durch „WhiteNoise-Rauschen“ simuliert werden. Die Verständigung über Lautsprache wurde damit deutlich erschwert und Besucher*innen waren „gezwungen“, anhand von Mimik, Gestik, kleinen Gebärden und natürlich über das Mundbild Fragen und Antworten zu verstehen und ins Gespräch zu kommen. Gefragt wurden alltägliche Dinge, z.B. wie man von Punkt A nach Punkt B kommt, wo das nächste Café ist, wie der schnellste Weg zur S-Bahn ist usw. So konnten Besucher*innen nachvollziehen, wie es ist, um sich herum nur bewegende Münder zu sehen, aber wesentliche Informationen nur mit großem Aufwand verstehen zu können.
  1. Station „Sehen“, Sehzentrum Berlin:
    Hier konnten Besucher*innen die Orientierung im Park mit einem Blindenlangstock und einer Simulationsbrille erproben erfahren. Zudem konnten Interessierte ein Tastmemory spielen und üben, den eigenen Namen an der Punktschriftmaschine schreiben.
  1. Station „Leichte Sprache – schwere Sprache“, Leben lernen gGmbH:
    Anhand von Sprachspielen konnten Besucher*innen üben, schwere Begriffe in Leichter Sprache auszudrücken. Eine wichtige Regel der Leichten Sprache ist die Bebilderung von Inhalten durch Symbole und Piktogramme. Auch das konnte geübt werden.
  1. Station „Mobilität“, Bürgertreff der Cooperative Mensch eG:
    Hier konnten Besucher*innen einen Parcour im Rollstuhl oder mit dem Rollator abfahren. Der Parcour führte entlang der Wege und Ruhezonen des Parks, über kleine Kanten und die Rasenfläche. „Diese Kante ist so klein. Trotzdem komme ich einfach nicht hinüber“ – das war eine häufige Aussage aus dem Munde der Proband*innen. Für ein weiteres Aha-Erlebnis sorgte der mit Sprühkreide auf dem Rasen abgebildete Grundriss eines Entwurfs für eine offiziell barrierefreie 1-Zimmer-Wohnung. Der Versuch, sich mit dem Rollstuhl in der Wohnung zu bewegen, hat schnell gezeigt: Barrierefreiheit geht anders.
  1. Experimente zur Wahrnehmung, Bewohnerrat „Wilde Füchse“ des RBO:
    Der Bewohnerrat Wilde Füchse führte Experimente zur Wahrnehmung durch. Insbesondere Kinder fanden diese Experimentier-Station spannend.
  1. Touren durch den Park:
    Die Bezirksbeauftragte hat zusammen mit einigen anderen Akteur*innen Spazier-Touren durch den Park angeboten, um direkt auf Barrieren aufmerksam zu machen. Die Hindernisse wurden im Vorbeigehen mit Helium gefüllten Luftballons markiert.
Station 2 „Sehen“ vom Sehzentrum. Wie erlebt eine blinde Person der Park? Was sind Gefahrenquellen wie zum Beispiel Elektoroller?

Weitere Gestaltende und Unterstützer*innen:

  • Ökotopia: Das Berliner Sozialunternehmen hat den Aktionstag mit kostenlosem und fairem Tee, Kaffee und Keksen unterstützt.
  • Studierende der FH Potsdam haben den Aktionstag mit zwei starken Aktionen bereichert, die bei den Besucher*innen auf großes Interesse und Beteiligung stießen. An einem selbstgebastelten Beteiligungsrad konnten Interessierte verschiedene Fragen beantworten, die zur Reflektion über Teilhabebarrieren für Menschen mit Behinderungen im Alltag anregten. Die Ergebnisse ihrer interaktiven Befragung stellen die Studierenden im Juni im Beirat von und für die Belange von Menschen mit Behinderungen vor.
  • Die Kopf, Hand und Fuß gGmbH hat ein Inklusions-Quiz angeboten.

Von 14 bis 18 Uhr herrschte am Aktionstag reges Treiben an den Stationen.
Viele kleine und große Besucher*innen des Parks
zeigten sich interessiert und neugierig,
kamen ins Gespräch mit den Organisator*innen
und probierten die verschiedenen Barriere-Simulationen aus.
Und auch die Stadträt*innen aus dem Bezirksamt
und zahlreiche Vertretungen der Fraktionen kamen,
um an den Ständen mitzumachen.
Im Nachhinein wurde in verschiedenen Ausschüssen
über den Aktionstag berichtet.

Besucher*innen der Veranstaltung im Gespräch im Rathaus Park.

Der Aktionstag hat gezeigt:
Es gibt noch viel zu tun auf dem Weg in eine inklusive Lebenswelt.
Und die Aufklärung über Barrieren im Alltag von Menschen mit Behinderungen
ist ein wichtiger Schritt im Prozess.
Rund 13 Jahre nach der Ratifizierung der UN-BRK in Deutschland
darf man kritisch fragen:
Warum sind wir nicht schon weiter gekommen?

1 Für mehr Infos siehe hier: Nachhaltige Erneuerung Berlin: Rathauspark – Neugestaltung.


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